Foto: Christiane Slawik www.slawik.comZwischen den Wäldern im Norden und dem Hochgebirge im Süden liegen satte Grasebenen - wie geschaffen für die Wesen, die "die Trinker der Lüfte" genannt werden. Dort hat sich eine riesige Population von über 20 000 dieser Tiere zu einem riesigen Herdenverband zusammengeschlossen, bekannt nur unter dem Begriff "Südherde". Diese besteht zwar aus vielen, vielen Untergruppen, doch haben die Führer dieser Pferde sich dazu entschlossen, das Land gerecht untereinander zu teilen.
Verschiedene Pferde teilen sich die Aufgabe, die gesamtstruktur zu erhalten, aber der sogenannte "König" aller, ist der goldene Hengst Astor, der weise regiert.
Im nördlichen Teil des Landes übernimmt die herrschende Funktion ein Hengst names Kronjuwel, der in etlichen großen Taten seinem Mut und seine Intelligenz demonstriert hat. Im Süden hat vor einigen Jahren Nemesis, der Sohn Norans, seinen Vater vom Leithengstposten verdrängt und viel von sich hören lassen. Fast 200 Stuten zählt er zu seinem privaten Harem.
Astor - / - Kronjuwel - / - Noran
Fotos: Christiane Slawik www.slawik.comIm sechsten Jahr der Herrschaft von Astor, dem Goldenen, überkam die Ebene eine nie dagewesene Dürre in den Sommermonaten. Nahrung und Wasser wurde knapp. Viele Pferde überlebten diese Zeit nicht. Doch dann kam der Herbst mit so plötzlicher Kälte, dass sich kein Fluss mehr füllte und kein Gras mehr nachwuchs. Die wenigen noch vorhandenen Nahrungsquellen würden gerade in den Wintermonaten hart umkämpft werden. Selbst die besten Leithengste sahen sich gezwungen, in ihren Herden die besten Stuten auszuwählen und die anderen aus ihren Rängen zu vertreiben. Viele niedrigere Hengste nutzen deshalb ihre Chance und scharten Gruppen von Pferden nun um sich, doch auch deren Kapazitäten waren schnell erschöpft.
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Foto: Isländersüchtige von www.gegen-bilderklau.net Der erste Schnee fiel auf die Wiesen am Fuße des Südgebirges. Vier Stuten mit zwei jungen Fohlen standen zusammen mit einem alten Wallach und blickten in die Ferne.
"Ich habe früher im Süden dieser Bergkette gelebt", sagt Rulf, der Alte zu den anderen. "Dort gab es prächtige Wiesen, doch war ich damals dort so allein, dass ich eine weite Reise zu den anderen Pferden hierher auf mich nahm. Aber wenn wir dieses Land erreichen könnten, hätten wir nichts mehr zu fürchten. Dort gibt es keinen Schnee wie hier und das Gras wird schon ab März wieder reichhaltig."
"Warum sind wir dann noch nicht dorthin unterwegs?", fragte Kayet, das kleine scheckige Stutfohlen und zog schüchtern den Kopf wieder zurück, als seine Mutter es scharf ansah.
"Rulf, sag uns, kann man diese Berge dort denn nicht überqueren?", fragte die schöne Kirmye.
Der Alte zögerte. "Es gibt Wege, ich erinnere mich, aber ich war jung und stark - und allein. Ich weiss nicht ..."
"Versuchen müssen wir es zumindest!" sagte Murti fest, der schon das Winterfell anfing zu spriessen.
"Was wenn wir scheitern? Dann erwartet uns auf diesen Höhen dort der Tod!", schnaubte Aryua und stampfte energisch auf.
"Das tun wir hier auch ... ", sagte Dev und ließ resigniert den Kopf hängen.
"Ja", sagte Rulf nachdenklich. "wir könnten den Tod finden ... aber wir könnten es auch schaffen!"
"Ich will aber noch nicht sterben!", rief der junge Joker ängstlich aus.
"Nein", beruhigte ihn seine Mutter. "Solange ich lebe, werde ich nicht zulassen dass du stirbst, komme da im Gebirge was will."
"Und ich auch nicht!", sagte Rulf.
"Wir müssen es versuchen!" Keiner sprach es aus, aber sie waren sich alle einig.